Ob Staatsgründung oder Machtverfall, Lebensdaten großer Frauen und Männer, Wendepunkte der Menschheitsgeschichte, Friedensverträge und Katastrophen, Erfindungen und Entdeckungen - im Zeitzeichen wird Geschichte lebendig.
Es ist der 29.04.1899: Der "rote Teufel" Camille Jenatzy tritt zu einem Duell auf der Straße an. Sein Ziel: Die damals magische Grenze von 100 km/h mit dem Auto knacken.
Motorsport-Enthusiasten und Neugierige versammeln sich auf den staubigen Straßen von Achères, einem Vorort von Paris, um Zeugen eines spektakulären Ereignisses zu werden: das Autorennen, das den legendären "roten Teufel" Camille Jenatzy zur Legende machen sollte.
Jenatzy, ein charismatischer Belgier mit einem ausgeprägten Sinn für Dramatik und Abenteuer, ist bereits eine bekannte Persönlichkeit in der aufstrebenden Welt des Motorsports. Seine Liebe zur Geschwindigkeit und sein unerschrockener Mut machen ihn zu einem Symbol für Innovation und Kühnheit unter den Rennfahrern seiner Zeit.
Das Rennen in Achères ist jedoch kein gewöhnliches Rennen. Jenatzy hat kurz zuvor ein revolutionäres Fahrzeug entworfen und gebaut - den "roten Teufel". Dieses Monstrum aus Stahl und Elektrizität ist nicht nur das schnellste Auto seiner Zeit, sondern auch das erste Elektroauto, das je an einem Rennen teilnahm.
Das Rennen beginnt, die Motoren der konkurrierenden Fahrzeuge brüllen, während der "rote Teufel" still und bedrohlich wirkt, angetrieben von der Kraft seiner elektrischen Batterien. Jenatzy, in ein Teufelskostüm gekleidet, führt das Feld an, seine roten Haare flattern im Wind…
In diesem Zeitzeichen erzählt Kay Bandermann:
Bei der berühmtesten Meuterei der Seefahrts-Geschichte war manches nicht wie in der Legende: Kapitän Bligh war kein Tyrann, und Fletcher Christian nicht mal der Anführer der Meuterer...
Es ist das Jahr 1789: die Besatzung des britischen Schiffes HMS Bounty rebelliert gegen ihren Kapitän William Bligh. Das Ereignis ist inzwischen zur Legende geworden und liefert Stoff für unzählige Romane und Kinofilme und prägt nach wie vor die Vorstellung vieler Menschen über das Leben auf See.
Wachoffizier Fletcher Christian wird zum berühmten Meuterer – Kapitän William Bligh zum tyrannischen Bootsführer, der seine Mannschaft drangsaliert. Deswegen, so die Erzählung, hätte sie am Ende gegen ihren Kapitän gemeutert. Doch vieles über Christian, Bligh und die Meuterei gehört ins Reich der Legenden. Sehr wahrscheinlich ist Fletcher Christian nicht einmal der Anführer der Meuterei. Und Bligh nachgewiesenermaßen kein tyrannischer Kapitän.
Als die Meuterer am 28. April 1789 Bligh und 17 treue Männer in einem winzigen Boot im Südpazifik aussetzen, war es Bligh, dem sie ihre Rettung nach 48 Tagen auf See verdanken. Er ist zu seiner Zeit einer der besten Navigatoren der Welt. Diese Überlebensfahrt gehört bis heute zu einer der außergewöhnlichsten Leistungen in der Geschichte der Seefahrt.
In diesem Zeitzeichen erzählt Andrea Kath:
Die neue Übergangsverfassung Südafrikas vom 27.4.1994 bedeutet eine historische Wende. Bis heute kämpft das Land mit den Folgen des rassistischen Systems.
Im Februar 1990 wird Nelson Mandela nach fast drei Jahrzehnten aus dem Gefängnis entlassen. Dieses Ereignis symbolisiert den Anfang vom Ende der Apartheid in Südafrika. Als Führer des "African National Congress" (ANC) kämpft Mandela gegen die rassistische Politik der Apartheid und setzt sich nach seiner Freilassung für Verhandlungen ein, die zu den ersten demokratischen Wahlen führen werden.
Die historischen Wahlen vom 27. April 1994 schließen das dunkle Kapitel der Apartheid. Mandela verkörpert als erster demokratisch gewählter Präsident wie kein anderer die Hoffnung auf Versöhnung und Einheit des Landes.
Doch wie kann die tiefe soziale und wirtschaftliche Ungleichheit als Folge der jahrzehntelangen Apartheidpolitik überwunden werden? Auch wenn die neuen demokratischen Institutionen eine Grundlage für Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit schaffen, bleiben Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Spannungen bestehen.
Programme der Regierung zur sozialen Entwicklung und wirtschaftlichen Integration sind erste Schritte, die beachtliche Fortschritte erzielen. Als Vertreter afrikanischer Interessen, aber auch als Fürsprecher der Menschenrechte und des Friedens in der Welt spielt Südafrika auch auf internationaler Ebene eine zunehmend wichtige Rolle. Nach 50 Jahren rassistischer Trennungspolitik ist der Weg aber noch lang.
In diesem Zeitzeichen erzählt Edda Dammüller:
Der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein hat unser Denken bahnbrechend verändert. Sein Leben ist wenig glücklich, aber in jeder Hinsicht außergewöhnlich.
Ludwig Wittgenstein ist ein einflussreicher österreichischer Philosoph, der für seine Beiträge zur Logik, Sprachphilosophie und Philosophie des Geistes bekannt ist. Wittgenstein, der aus einer wohlhabenden Wiener Familie stammt, spendet ein Großteil seines Erbes an Künstler und lebt fast schon asketisch. Er arbeitet zeitweise als Volksschullehrer, im Ersten Weltkrieg dient er als einfacher Soldat.
Beeinflusst von namhaften Denkern wie Bertrand Russell, veröffentlicht der exzentrische Wissenschaftler zwei bedeutende Werke: „Tractatus Logico-Philosophicus“ (1921) und „Philosophische Untersuchungen“ (1953, posthum). Wittgenstein ist fasziniert von der Frage nach dem Wesen der Sprache und ihrer Beziehung zur Wirklichkeit. In seinem Frühwerk argumentiert er, dass die Grenzen der Sprache die Grenzen unserer Welt sind.
Die Person Wittgensteins ist so facettenreich wie sein Forschungsgebiet: Er ist getrieben, eigensinnig, schwer depressiv und zeitlebens suizidgefährdet. Gleichzeitig ist er genial, charismatisch und ein brillanter Kopf. Sein privates Glück findet er erst gegen Ende seines Lebens in der Begegnung mit Ben Richard.
In diesem Zeitzeichen erzählen Ulrich Biermann und Veronika Bock:
Die Nelkenrevolution in Portugal am 25.4.1974 beendet die bislang am längsten dauernde Diktatur Europas mit einem friedlichen Militärputsch. Am Ende siegt die Demokratie.
In der Nacht zum 25. April 1974 geht ein Lied über den katholischen Rundfunk in Lissabon: "Grândola, Vila Morena". Es ist das verabredete Signal für den Militärputsch der "Bewegung der Streitkräfte", einem Zusammenschluss regimefeindlicher Offiziere.
Als sie die Hauptstadt Lissabon besetzen, steckt die begeisterte Bevölkerung den Soldaten rote Nelken in die Gewehrläufe. Der Umsturz nach 47 Jahren Faschismus verläuft weitestgehend unblutig. Regierungstreue Truppen schießen allerdings auf unbewaffnete Demonstranten, vier davon sterben.
Einer der wichtigsten Oppositionspolitiker während der Diktatur ist Mário Soares. 1970 verlässt er Portugal und geht ins Exil. Am 28. April 1974, drei Tage nach der Nelkenrevolution, kommt Soares zurück nach Lissabon. Er begleitet federführend den Gang Portugals in die Demokratie. Nach den ersten Präsidentschaftswahlen nach der Diktatur stellt die sozialistische Partei unter Soares die Regierung,
In diesem Zeitzeichen erzählt Hans Rubinich:
Am 24.4.1974 erschüttert die Verhaftung des DDR-Spions die BRD. Zwei Wochen später tritt Willy Brandt zurück. War Günter Guillaume aus Sicht der Stasi eine Top-Quelle?
Es ist einer der bedeutendsten Spionagefälle der deutschen Geschichte und liest sich fast wie Fiktion: Am 24. April 1974 wird Günter Guillaume verhaftet. Als Maulwurf hat der ostdeutsche Agent sich bis in die höchsten politischen Kreise der Bundesrepublik Deutschland eingeschleust und schließlich als persönlicher Referent Willy Brandts gedient.
Die Enthüllung von Guillaumes Doppelleben löst einen politischen Skandal aus. Obwohl Brandt betont, nichts von Guillaumes Tätigkeiten gewusst zu haben, übernimmt er die politische Verantwortung für den Skandal und tritt im Mai 1974 von seinem Amt als Bundeskanzler zurück.
Die Verhaftung hat auch weitreichende Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Ost und West. Sie führt zu einem erheblichen Vertrauensverlust zwischen den beiden deutschen Staaten und erschwert die Bemühungen um eine Annäherung und Entspannungspolitik.
In diesem Zeitzeichen erzählt Martina Meißner:
Ein kurioser Mini-Staat entsteht am 23.4.1949 in der Eifel: "Bollenien" nennt man bald die belgische Verwaltungszone. "Hauptstadt" ist ein Dörfchen bei Aachen...
Vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, am 23. April 1949, annektiert Belgien einen schmalen Streifen entlang der deutsch-belgischen Grenze. Dazu zählen unter anderem der Aachener Stadtteil Bildchen, die Gemeinde Losheim, Hemmeres und einige Höfe im Monschauer Stadtteil Kalterherberg. Das neue Gebiet ist ein 20 Quadratkilometer großer Flickenteppich, den die 1.000 Einwohner Bollenien nennen – nach dem Militärverwalter der neuen Zone, General Paul Bolle.
Unglücklich sind die Bollenier nicht über ihre neue Staatszugehörigkeit. Die belgische Regierung lässt Telefon- und Stromanschlüsse verlegen, Häuser anstreichen und eine Brücke über die Our bauen. Und im Gegensatz zu Deutschland gibt es in der neuen Zone noch keine Fahrprüfungen. Wer 18 Jahre alt ist, darf Auto fahren.
Als Bollenien neun Jahre später wieder zurück an die Bundesrepublik fallen soll, weigern sich einige vehement gegen den neuerlichen Wechsel der Staatszugehörigkeit – unter anderem mit einem Protest-Telegramm an Kanzler Konrad Adenauer.
In diesem Zeitzeichen erzählen Markus Harmann und Joachim Heinz:
103 Jahre alt wurde Rita "la professoressa" Levi-Montalcini, Entdeckerin des Nervenwachstumfaktors. Zur Welt kam die Medizin-Nobelpreisträgerin am 22.4.1909 in Turin.
Rita Levi-Montalcinis Entdeckungen auf dem Gebiet der Neurobiologie gelten als bahnbrechend. Die herausragende italienische Neurologin und Zellbiologin wird am 22. April 1909 in Turin geboren und wächst in einer wohlhabenden jüdischen Familie auf.
Gemeinsam mit Stanley Cohen erhält Levi-Montalcini 1986 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie für die Entdeckung des Nervenwachstumsfaktors (NGF), einem Botenstoff, der das Wachstum von Nervenzellen stimuliert. Dies revolutioniert das Verständnis für Entwicklung und Funktion des Nervensystems und hat weitreichende Auswirkungen auf die Neurobiologie und die Medizin im Allgemeinen.
"La professoressa", wie sie in Italien bewundernd genannt wird, ist eine unerschrockene Pionierin, die trotz der Hindernisse, mit denen sie als Frau und Jüdin während des Faschismus und des Zweiten Weltkriegs in Italien konfrontiert ist, unermüdlich für wissenschaftliche Erkenntnisse kämpft. Sie sagt: "Im Leben sollte man niemals nachgeben, sich dem Mittelmaß hingeben, sondern sich aus jener Grauzone herausbewegen, in der alles Gewohnheit und passive Resignation ist. Man muss den Mut haben, zu rebellieren." Und dies tut sie, bis zu ihrem Tod mit 103 Jahren.
In diesem Zeitzeichen erzählt Steffi Tenhaven:
Am 21.4.1989 startet der "Game Boy" mit bereits veralteter Technik - und trotzdem verändert er die (Videospiel-)Welt: Spielen wird überall und jederzeit möglich.
Der "Game Boy" ist lange Zeit weltweit die meistverkaufte Spielkonsole. Und das, obwohl seine technische Ausstattung schon bei der Markteinführung 1989 sehr zu wünschen übrig lässt. Während die Konkurrenz fast zeitgleich mit großzügigen Farbbildschirmen und deutlich komplexerer Grafik aufwarten kann, besitzt der "Game Boy" nur einen grün-schwarzen Mini-Monitor.
Auch der Hauptprozessor ist bei seinem Einbau in das Gerät bereits 15 Jahre alt. Er wird Ende der 1980er-Jahre eigentlich nur noch für die Steuerung von Wasch- und Nähmaschinen verwendet.
Aber diese reduzierte technische Ausstattung ist für den "Game Boy" kein Nachteil. Im Gegenteil: Handhelds – Spielkonsolen, die nicht an den Fernseher gekoppelt werden müssen, sondern überall hin mitgenommen werden können – sind damals eine Innovation. Der Game Boy punktet gegenüber Konkurrenzprodukten mit der viel längeren Batterielaufzeit und dem verhältnismäßig günstigen Preis - so wird er zum Massenprodukt.
In diesem Zeitzeichen erzählt Fritz Schaefer:
Die Tat von zwei Schülern in Littleton im US-Bundestaat Colorado erschütterte die USA. Eine Tragödie, die als Wendepunkt in der Geschichte der Vereinigten Staaten gilt.
Eric Harris und Dylan Klebold müssen sich monatelang vorbereitet haben: Laut Polizeibericht betreten sie um 11.14 Uhr ihre Schule und schießen um sich. Zunächst in der Cafeteria, dann gehen der 17- und 18-Jährige in die Bibliothek. In weniger als einer Stunde töten sie zwölf Schülerinnen und Schüler und einen Lehrer. Danach erschießen sie sich selbst.
Die Menschen in den USA und der ganzen Welt sind geschockt. Der damalige Präsident Bill Clinton ahnt schon kurz nach der Tat: "Wir kennen noch nicht alle Gründe für diese Tragödie, und vielleicht werden wir sie auch nie ganz verstehen." Er soll Recht behalten. In der Folge wird jedes Detail im Leben der Täter analysiert. Gewaltverherrlichende Musik und so genannte Ego-Shooter-Computerspiele geraten ebenso wie die laxen Waffengesetze der USA als mögliche Treiber für den Amoklauf in Verdacht.
Viele der ersten Spekulationen werden später widerlegt, aber bis heute beschäftigen sich Forschende mit den Vorfällen an der Columbine High School, um die Täter besser zu verstehen und so zu verhindern, dass es Nachahmer gibt. Auch der 19-Jährige, der 16 Menschen und sich selbst 2002 am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt tötet, hat zuvor zu Columbine recherchiert – genauso wie der 17-jährige Amokläufer von Winnenden.
In diesem Zeitzeichen erzählen Ulrich Biermann und Veronika Bock:
Er entdeckte Udo Jürgens. Er zog die Fäden im Hintergrund des Mediengeschäfts und der Schlagerbranche: Hans Rudolf Beierlein, geboren am 19.4.1929.
Der Gourmet und Frankreichliebhaber Hans R. Beierlein pflegt mit allergrößter Sorgfalt seine Kontakte zur französischen Musikelite, schafft es auch, Deutschland-Tourneen für die französischen Top-Stars zu organisieren.
Der Kritik, dass er keine Ahnung von Musik habe, begegnet Beierlein mit der pragmatischen Antwort, es sei seine Aufgabe, aus Musiknoten Banknoten zu machen.
Udo Jürgens und Hans R. Beierlein begegnen sich 1963 das erste Mal. Da ist Udo Jürgens ziemlich mutlos. Seine Platten verkaufen sich nicht, er möchte nicht mehr singen, nur noch komponieren. Beierlein erkennt sofort das große Potenzial des Klagenfurters und nimmt ihn unter seine Fittiche. Udo Jürgens gewinnt 1966 den Grand Prix Eurovision de la Chanson. Es ist der Start seiner Weltkarriere.
2014 verkauft Hans R. Beierlein die Rechte an allen 6.000 Musiktiteln seines Musikverlags Montana und zieht sich ins Private zurück. Im August 2022 stirbt er mit 93 Jahren.
In diesem Zeitzeichen erzählt Andrea Klasen:
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