1000 Antworten

Südwestrundfunk

Woher stammt die "Quarantäne"? Wie entsteht ein Schwarzes Loch? Warum fallen Wolken nicht vom Himmel? Jeden Tag erklären wir hier ein kleines Stückchen Welt. | Texte unter http://1000-antworten.de

  • 2 minutes 2 seconds
    Überlebt eine Weinbergschnecke, wenn man versehentlich ihr Haus zertritt?

    Eingeweidesack im Schneckenhaus

    Klare Antwort: Nein. Man muss sich klar machen: Das Haus einer Schnecke ist kein totes Anhängsel, was einfach so oben drauf liegt, sondern das Haus gehört zum Tier. Nicht einfach nur in dem Sinn, dass es mit ihm verwachsen ist. Sondern die Schnecke besitzt eine Art Ausstülpung, den Eingeweidesack, die sich bis in die Spitze des Gehäuses zieht und an der Hauswand anliegt.

    Schneckenhaus ist Teil des Körpers

    Das Haus einer jungen Schnecke muss noch wachsen. Dazu haben Schnecken einen speziellen Teil in ihrer Haut – den „Mantel“ – der in der Lage ist, Kalk zu bilden. Kleine Beschädigungen im Gehäuse können sie damit unter Umständen auch reparieren, aber nur, wenn der Körper unverletzt bleibt. Wenn man aber drauf tritt, wird zwangsläufig ein Teil des Körpers verletzt, eben weil ein Teil des Körpers sich ins Gehäuse hineinzieht.

    Bei Verletzungen läuft die Körperflüssigkeit einfach aus

    Nun haben Weichtiere einen offenen Blutkreislauf. Das bedeutet: Bei einer Verletzung läuft die Körperflüssigkeit einfach aus. Die Schnecke hat in einem solchen Fall keine Überlebenschance. Das gilt nicht nur für Weinbergschnecken, sondern für fast alle Landschnecken – also Schnecken mit Haus. Eine Ausnahme bilden Bernsteinschnecken; das sind Schnecken mit einem relativ dünnen Haus. Wenn die ihr Haus verlieren, können sie ein paar Tage überleben und etwas Gehäuseähnliches wieder aufbauen.

    Wozu brauchen Schnecken überhaupt das Haus?

    Es schützt sie vor allem vor dem Austrocknen. Bei normalen Landschnecken ist die Unterseite ziemlich schleimig, die Oberseite aber nicht, sodass sie dort Flüssigkeit ausdünstet. Damit sich das in Grenzen hält, hat sie das Haus, in das sie sich auch mal zurückziehen kann.

    Wo Häuser stören: Nacktschnecken kriechen in Spalten und Erdlöcher

    Das sieht man auch schön im Vergleich zu den Nacktschnecken. Die Nacktschnecken haben sich auf eine andere ökologische Nische spezialisiert: Sie kriechen in Spalten und Löcher in der Erde – dabei stört so ein sperriges Gehäuse aber. Also haben sie es im Lauf ihrer Evolution immer mehr reduziert. Dafür mussten sie sich aber anderweitig vor dem Austrocknen schützen. Nämlich einmal dadurch, dass sie am ganzen Körper schleimig sind – deshalb finden viele Menschen Nacktschnecken ja auch ekliger als normale Landschnecken – und zum anderen eben, in dem sie sich in der Tageshitze in der Erde verkriechen und erst nachts oder bei trübem Regenwetter hervorkommen.
    16 May 2024, 2:45 pm
  • 3 minutes 53 seconds
    Nehmen Menschen Farben gleich wahr?
    Das weiß man nicht! Es ist sogar wahrscheinlich, dass Menschen Dinge tatsächlich unterschiedlich wahrnehmen, selbst Farben. Darauf deuten Phänome wie Farbenblindheit hin, dass also manche Leute rot und grün nicht unterscheiden können. Dieses Symptom beweist, dass es Unterschiede gibt. Man könnte sagen: Das ist eine Ausnahme. Farbenblindheit ist ja etwas "Unnormales", diesen Menschen fehlen bestimmte Farbrezeptoren. Aber da sind wir schnell bei der Frage, was ist "normal"?

    Selbst im "Normalbereich" gibt es Unterschiede

    Ein kleiner Test, den jeder selbst machen kann: Dunkeln Sie das Zimmer ab, sodass relativ wenig Licht hinein scheint. Dann schließen Sie abwechselnd das linke und das rechte Auge. Bei vielen Menschen ist ein Auge lichtempfindlicher als das andere. Oft kommt es auch vor, dass ein Auge die Welt gerade bei schwachem Licht etwas farbkräftiger wahrnimmt, das andere etwas blasser. Oder die Welt erscheint in einem Auge etwas rotstichiger. Angesichts solcher Phänomene stellt sich die Frage: Wenn es schon zwischen dem linken und dem rechten Auge kleine Unterschiede gibt, wie groß können dann die Unterschiede zwischen zwei Menschen sein? Das erlebe ich auch zu Hause: Wenn meine Frau und ich über einen blaugrünen oder türkis-farbenen Gegenstand reden, kommt es vor, dass sie den Gegenstand eher als blau bezeichnet, während ich ihn gerade noch als grün bezeichnen würde.

    Kultur prägt Wahrnehmung

    Was sich bei uns im Kleinen zeigt, haben kulturvergleichende Studien auch im Großen gezeigt, nämlich dass die Zuordnung bestimmter Farbtöne zu Farbwörtern entscheidend ist: Was ist noch Blau? Was ist schon Lila? Wo hört Gelb auf? Wo fängt Orange oder Rot an? Diese Grenzen werden in verschiedenen Kulturen unterschiedlich gezogen. Es gibt sogar Sprachen, die für Blau und Grün überhaupt keine Wörter haben. Daraus kann man folgern, dass die Sprecherinnen und Sprecher diese Farben auch nicht als eigenständige Farbtöne wahrnehmen. Oder denken Sie an das Phänomen der Synästhesie: Manche Menschen sehen Zahlen oder Wörter farbig, obwohl gar keine Farben da sind. Aber ihr Gehirn konstruiert diese Farben zu anderen Sinneswahrnehmungen dazu. Das alles gibt es. Insofern spricht vom Biologischen her vieles dafür, dass Menschen auch Farben sehr unterschiedlich wahrnehmen.

    Unmittelbare Wahrnehmungseindrücke lassen sich nicht eindeutig beschreiben

    Zudem hat diese Frage eine erkenntnistheoretische Dimension: Könnte es nicht sein, dass zum Beispiel bei uns die Farben Rot und Grün vertauscht sind? Dass Sie die Farbe Rot so wahrnehmen, wie ich die Farbe Grün wahrnehme und umgekehrt? Dass das aber zu keinen Verwirrungen führt, weil wir ja für die gleichen Gegenstände und ihre Farben nach wie vor die gleichen Wörter benutzen und deshalb nicht merken, dass wir dabei ganz unterschiedliche Dinge sehen? Diese Frage ist philosophisch durchaus berechtigt und sie ist letztlich nicht beantwortbar. Denn wir reden über unmittelbare Wahrnehmungseindrücke, die wir mit Wörtern nicht eindeutig beschreiben können. Und solange aus einer unterschiedlichen sinnlichen Wahrnehmung kein unterschiedliches Handeln folgt, können wir über das Innenleben eines anderen Menschen nichts sagen. Es wäre zwar plausibel anzunehmen, dass die Natur die Menschen so ausgestattet hat, dass wir ähnliche Dinge ähnlich wahrnehmen, aber wissen können wir das nicht. Rein theoretisch könnte es ja sogar sein, dass außer Ihnen oder mir überhaupt niemand überhaupt irgendetwas wahrnimmt, dass alle anderen Menschen zwar den Eindruck erwecken, als seien es denkende und fühlende Wesen, in Wirklichkeit sind es aber nur Zombies oder von Außerirdischen geschickt programmierte Roboter. Es spricht zwar sehr vieles dagegen, dass es so ist, aber – wer weiß?
    15 May 2024, 5:00 pm
  • 1 minute 38 seconds
    Wo schlafen Schmetterlinge?

    Schmetterlinge haben keine Augenlider

    Schmetterlinge "schlafen" in unserem Sinn gar nicht. Sie haben nämlich keine Augenlider, die sie schließen könnten. Wohl aber legen sie Ruhepausen ein. Je nachdem, wann sie das tun, unterscheidet man Tagfalter von Nachtfaltern. Tagfalter sind tagsüber aktiv und ruhen bei Nacht, bei Nachtfaltern ist es umgekehrt, die ruhen tagsüber. Dazu suchen sie gerne die Unterseite von Blättern auf – denn dort sind sie vor Fressfeinden, zum Beispiel Vögeln, ganz gut versteckt. Ein paar Schmetterlingsarten wie die Widderchen müssen sich allerdings nicht verstecken, denn sie haben nichts zu befürchten. Sie sind nämlich für Vögel giftig. Das erkennen die Vögel schon von Weitem, denn diese giftigen Schmetterlingsarten haben sehr farbkräftige, rot- oder gelbschwarze Flügel. Diese Flügel sind für die Vögel sozusagen Warnhinweise: "Versuch’s gar nicht erst, ich bin Gift!".

    Tägliche Ruhepause und jährliche Ruhephase

    Neben dieser täglichen Ruhepause halten Schmetterlinge eine längere jährliche Ruhephase im Herbst und Winter. Insektenkundler bezeichnen diese als Diapause. Diese Ruhephase ist unabhängig vom jeweiligen Entwicklungsstadium: Es gibt sie sowohl beim Ei als auch bei der Raupe, der Puppe und dem ausgewachsenem Schmetterling. Für diese Zeit sucht sich das Insekt einen Platz am Boden zwischen Steinen, Pflanzenwurzeln oder unter einer Baumrinde – einige spinnen sich während ihres Winterschlafs zum Schutz einen Kokon. Danke an: Dr. Hossein Rajaei, Researcher and Curator of Lepidoptera, Department Entomology, State Museum of Natural History Stuttgart / Lisa Hofmann
    15 May 2024, 12:00 pm
  • 1 minute 11 seconds
    Warum wird Eiklar beim Kochen weiß?
    Beim Aufschäumen und beim Kochen sind das im Wesentlichen zwei Phänomene. Zunächst zum Kochen: Die Eiweiße im Eiklar sind Albumine. Die liegen normalerweise als Kügelchen vor und sind von Wasser umgeben. Deswegen ist auch das Eiklar flüssig und glibberig.

    Proteine bilden beim Erhitzen ein Netz

    Beim Erhitzen entfalten sich diese Proteine und bilden ein Netz – ähnlich wie bei der Milch. Durch das dichte Netz kann das Licht nicht mehr so einfach durchscheinen; es wird in alle Richtungen abgelenkt und erscheint weiß. Beim Eischnee passiert das auch, weil durch das Schlagen eine andere Sorte von Proteinen denaturiert wird. Aber gleichzeitig wird auch Luft darunter geschlagen. So wird an diesen vielen Bläschen das Licht vielfach gebrochen, und auch das entspricht einer Reflexion in alle Richtungen. Deshalb wird Schaum aus Eiklar ebenfalls weiß.
    15 May 2024, 8:30 am
  • 2 minutes 4 seconds
    Warum trinken Männer viel mehr Bier als Frauen?

    Männer trinken mehr Alkohol als Frauen

    Der Durchschnittsdeutsche trinkt einen Viertelliter Bier am Tag, die Durchschnittsdeutsche dagegen gerade mal 40 ml.  Bei beiden – Männlein und Weiblein – ist der Bierkonsum zwischen 18 und 24 am höchsten. Aber das Verhältnis bleibt eigentlich über verschiedene Altersgruppen relativ konstant bei ungefähr 6:1. Ganz anders beim Wein. Da ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen relativ gering.

    Bitterstoff PTC: Schmecker und Superschmecker

    Eine schlüssige Erklärung gibt es dafür nicht. Man könnte vermuten, Frauen mögen es nicht so bitter. Das lässt sich aber leicht durch ein Gegenbeispiel widerlegen, nämlich Kaffee – der ist bei Männern und Frauen fast gleich beliebt. Frauen haben auch nichts gegen Grapefruit oder Bitterschokolade – also rein am bitteren Geschmack kann die mutmaßliche Ablehnung von Frauen gegenüber Bier nicht liegen. Allerdings: Bitter ist nicht gleich Bitter. Die Geschmackszellen für Bitterstoffe unterscheiden sich. Und es gibt insbesondere eine Art von Bitterstoffen, die recht gut untersucht ist, nämlich eine Verbindung, die sich Phenylthiocarbamid nennt, oder kurz PTC. Das ist ein Bitterstoff, bei dem man herausgefunden hat, dass die Geschmacksempfindlichkeit ihm gegenüber genetisch bedingt ist. Es gibt PTC-Schmecker und Nicht-Schmecker oder sogar Superschmecker, die auf diesen Bitterstoff sehr empfindlich reagieren und das Gesicht verziehen. Unter diesen Superschmeckern sind mehr Frauen als Männer. Trotzdem ist der Unterschied nicht so groß, dass er das Geschlechter-Verhältnis 6:1 beim Bierkonsum erklären würde. Und zweitens ist dieser spezielle Bitterstoff PTC im Bier nicht drin. Insofern taugt auch das nicht als Erklärung.

    Sozialisierung könnte eine Rolle spielen

    Professor Wolfgang Meyerhof, Geschmacksforscher und Molekularbiologe am Deutschen Institut für Ernährung in Potsdam, vermutet deshalb, dass die unterschiedliche Affinität zum Bier eher etwas mit Sozialisierung zu tun hat. Dass das Bier in Männerrunden einfach mehr dazu gehört,, Bier-Werbung stärker die Männer anspricht und so weiter. Falls es doch andere biologische Gründe geben sollte, hat man sie jedenfalls offenbar noch nicht gefunden.
    14 May 2024, 2:30 pm
  • 6 minutes 28 seconds
    Wann ist Israelkritik antisemitisch?

    Kritik an konkreten Handlungen ist legitim

    Wie jede Regierung, so muss sich die israelische Regierung Kritik gefallen lassen – von der Opposition im eigenen Land und ebenso vom Ausland. Auch die Bundesregierung kritisiert die israelische Politik immer wieder mal, trotz des, historisch bedingt, besonderen Verhältnisses zum jüdischen Staat. Der entscheidende Punkt ist: Diese Kritik bezieht sich auf konkrete Entscheidungen oder Handlungen der israelischen Regierung. Etwa auf den jüdischen Siedlungsbau in der Westbank, der auch aus deutscher Sicht völkerrechtswidrig ist. Oder wenn es Pläne gibt, die Unabhängigkeit der Justiz zu beschränken. Solche konkrete Kritik ist völlig legitim. Auch wenn sich Israel gegen Terror aus dem Gazastreifen mit massiven Gegenangriffen wehrt, ist es legitim, die Frage nach der Verhältnismäßigkeit zu stellen – egal, wie man sie dann für sich beantwortet.

    3-D-Regel zur Überprüfung: Wann ist Israelkritik antisemitisch?

    Doch es gibt bestimmte Argumentationsmuster, bei denen Israelkritik antisemitische Züge bekommt. Als Faustregel gilt dabei die sogenannte 3-D-Regel. Der israelische Politiker Natan Scharanski hat sie entwickelt. Die drei D stehen für Doppelstandards, Dämonisierung und Delegitimierung. Wenn Israelkritik eins dieser drei Merkmale enthält, dann gilt sie nach dieser Regel als antisemitisch.

    Doppelstandards: Von Israel mehr erwarten als von anderen

    Doppelstandards bedeutet, dass Israel politisch-moralisch mit anderen Maßstäben gemessen wird als andere Staaten. Wenn Israel in der Kritik viel schlimmer erscheint als andere Regierungen, denen man ihre Menschenrechtsverletzungen durchgehen lässt. Schlimmer als Diktaturen, die Oppositionelle umbringen lassen. Schlimmer als ein Terrorregime, das wahllos Zivilisten ermordet oder Frauen ein selbstbestimmtes Leben verweigert. Kurz: Wenn man von Israel Dinge erwartet, die man von anderen nicht erwartet, dann ist das nach der 3-D-Regel ein guter Anhaltspunkt zu sagen: Die Kritik ist antisemitisch, denn sie wendet doppelte Standards an. Dafür steht das erste D.

    Dämonisierung: Israel als "teuflische Macht" und "Grundübel"

    Das zweite D steht für Dämonisierung. Wenn Israel als teuflische Macht dargestellt wird, als das Grundübel schlechthin, dann ist das keine Kritik mehr, die sich auf konkrete Politik bezieht. Auch wenn Israel mit dem NS-Regime gleichgesetzt wird, ist nicht nur der Vergleich historisch absurd (zur Erinnerung: Die Nazis haben in Vernichtungslagern Millionen Menschen systematisch ermordet, haben den 2. Weltkrieg angefangen und duldeten keinerlei Opposition). Ein solcher Vergleich zielt ausschließlich darauf ab, das Land zu dämonisieren (und nebenbei den Holocaust zu relativieren). Manchmal erscheint Israel auch als böser Akteur in irgendwelchen Verschwörungserzählungen. Das ist dann immer ein Hinweis darauf, dass sich Leute auf Israel als Hassobjekt fixieren – was dann eben Hass ist und keine Kritik. Natürlich könnten sich Menschen, die diesen Verschwörungserzählungen anhängen, auf den Standpunkt stellen, sie haben nichts gegen Juden, aber sie dürften doch wohl die angebliche Wahrheit über Israel sagen. Die Frage, die sich diese Leute meist nicht stellen: Warum glauben sie oder beschäftigen sie sich mit solchen Verschwörungstheorien genau dann, wenn sie mit Israel zu tun haben? Warum hört man nie Verschwörungstheorien über Österreich oder Island? Diese Fixierung auf Israel als jüdischem Staat gilt deshalb als starkes Indiz für antisemitische Prägung, auch wenn sie den Betroffenen selbst nicht bewusst sein mag.

    Delegitimierung: Existenzberechtigung Israels infrage stellen

    Das dritte D steht für Delegitimierung. Dazu ein Vergleich: Viele kritisieren die Politik der Bundesregierung – aber kaum jemand stellt deshalb Deutschland als Staat infrage oder sieht sich als "Deutschland-Kritiker". Manche Israelkritik läuft aber darauf hinaus, Israel als Staat die Legitimation abzusprechen – als hätte das Land keine Existenzberechtigung. Dies ist aber historisch und völkerrechtlich schlicht falsch. Und tatsächlich gibt es Formen von Israelkritik, die vielleicht nicht explizit sagen, dass Israel kein Existenzrecht hat, die aber im Ergebnis darauf hinauslaufen. Wenn Israel Ziele der Hamas oder der Hisbollah angreift, kann man immer diskutieren, ob das im konkreten Fall zielführend und verhältnismäßig ist. Aber wer Israel grundsätzlich dafür verurteilt, dass es versucht, sich gegen Angriffe  wirksam zu verteidigen, stellt indirekt das Existenzrecht des jüdischen Staats infrage. Das sind also die drei D: Doppelstandards, Dämonisierung und Delegitimierung. – Viele offizielle Stellen haben diese Kriterien übernommen, als Anhaltspunkte dafür, wo hinter vermeintlicher Israelkritik eine antisemitische Einstellung erkennbar ist.

    Antisemitismus: Einstellung, die alles Jüdische negativ bewertet

    Antisemitismus, verstanden als eine Einstellung, die alles Jüdische negativ bewertet oder zumindest mit einem Vorbehalt versieht. Seien es die Juden als Kollektiv oder auch jüdische Einrichtungen von der Synagoge bis zum Staat Israel. Nach diesem Verständnis ist es deshalb auch antisemitisch, wenn Juden in Deutschland für die Politik Israels verantwortlich gemacht werden. Auch an diesem Punkt handelt es sich nicht mehr um normale Israelkritik, sondern um eine antisemitische Gleichsetzung völlig verschiedener Gruppen, deren Gemeinsamkeit primär im Jüdischsein besteht.

    Ob ein Mensch Antisemit ist, ist schwer zu belegen

    In öffentlichen Debatten geht es oft heiß her und da wird schnell mal jemandem nach einer bestimmten Äußerung Antisemitismus vorgeworfen. Dabei empfiehlt es sich jedoch, zu unterscheiden zwischen der Äußerung und der Person. Ob jemand als Mensch ein Antisemit ist oder eine Antisemitin, ist ein sehr weitgehender Vorwurf und meist schwer zu belegen. Zum einen ist es immer schwierig, in die Köpfe von Menschen hineinzuschauen und zu erkennen, was sie wirklich denken. Zum anderen gibt es Menschen, die sich wirklich nicht als Antisemiten sehen. Doch plötzlich rutscht ihnen eine Bemerkung heraus, die einen antisemitischen Inhalt transportiert, weil sie das vielleicht selbst irgendwo aufgeschnappt haben. Zu diskutieren, ob jemand in Wahrheit Antisemit ist oder nicht, hilft in der Diskussion oft nicht weiter, zumal die Diskussion dann schnell sehr persönlich wird. Aber festzustellen, dass eine Äußerung antisemitisch ist – dafür gibt es klare Indizien wie eben die 3-D-Regel.

    Grenzen der 3-D-Regel

    Aber auch bei dieser Regel bleiben manchmal Unsicherheiten: Nehmen wir eine gebürtigen Palästinenserin, die von der israelischen Politik unmittelbar betroffen ist – die vielleicht im Westjordanland den israelischen Siedlungsbau erlebt oder deren Angehörige in Gaza bei einem israelischen Angriff ums Leben kamen. Aufgrund ihrer persönlichen Betroffenheit ist sie auf Israel schlecht zu sprechen, während sie sich für die Menschenrechtsverletzungen Chinas, Russlands oder der Taliban weniger interessiert. Von außen betrachtet, wendet sie also doppelte Standards an und so könnte man ihr streng nach der 3-D-Regel Antisemitismus vorwerfen. Nur wird damit ihr Verhalten nicht angemessen eingeordnet. Eindeutiger wird es dagegen, wenn sie in Deutschland vor einer Synagoge demonstriert, eine israelische Fahne verbrennt oder Morde an jüdischen Zivilisten bejubelt – das ist dann Antisemitismus in Reinkultur.
    14 May 2024, 5:30 am
  • 1 minute 25 seconds
    Woher kommt "man hat schon Pferde kotzen sehen"?

    Pferde beherrschen Peristaltik nur in einer Richtung

    "Man hat schon Pferde kotzen sehen" – das klingt natürlich sehr drastisch. Aber wenn man überlegt, dass die Pferde dazu physiologisch gar nicht in der Lage sind, wird ein Schuh daraus. Es ist tatsächlich so, dass Pferde in der Regel die Peristaltik nur in einer Richtung beherrschen – sie können sich nicht übergeben. Wenn also jemand sagt "ich werde mein Abitur garantiert mit 1,0 machen", dann kann der andere sagen "na ja, man hat schon Pferde kotzen sehen". Da man das nicht gesehen hat – Pferde sterben, wenn sie so krank sind, dass sie sich tatsächlich übergeben müssten – wäre das also so gut wie am Sankt Nimmerleinstag.

    Warum sollten Pferde vor der Apotheke kotzen?

    Dass sie das vor der Apotheke machen, ist eine Erweiterung. Die kommt daher, dass man gesagt hat, dass die Pferde sich genau da übergeben müssen, wo sie vielleicht ein Mittel kriegen könnten gegen die Übelkeit. Das wäre dann die Apotheke. Mein Vater hat es sogar noch weiter geführt indem er gesagt hat, "man hat schon grüne Pferde vor der Apotheke kotzen sehen". Da wird dann ganz klar, worum es bei der Sache geht und wohin der Hase läuft.
    13 May 2024, 12:25 pm
  • 2 minutes 10 seconds
    Wie hoch können Fliegen fliegen?

    Höhenrekorde kosten unnötig Kraft und Energie

    Bis in welche Höhe Fliegen in der Natur fliegen, ist offenbar noch nicht systematisch erforscht und es gibt ja auch sehr viele Arten von Fliegen. Aber die Frage, wie hoch Fliegen fliegen können, stellt sich in der Natur gar nicht, weil Fliegen keinen Anlass haben, die Extreme auszuprobieren. Für eine Fliege besteht kein Anlass, hoch hinaus zu fliegen, was soll sie dort? Es kostet nur unnötig Kraft und Energie, und da oben gibt es nichts zu fressen. Da besteht nur die Gefahr, dass sie selbst von Vögeln oder nachts von Fledermäusen gefressen werden. Deshalb halten sich Fliegen, wie die meisten Insekten, eher dicht über dem Boden auf, wo sie sich auch orientieren. Und wenn sie Strecke fliegen, behalten sie meist einen gewissen Abstand zum Boden.

    Fliegen oder sich wehen lassen: Unterschiede im Reich der Insekten

    Ich habe den Insektenkundler Lars Krogmann gefragt, wie es sich mit dem Fliegen in die Höhe bei Insekten verhält. Er unterscheidet zwischen dem aktiven Hoch-Fliegen und dem passiven "Sich-Hochwehen-Lassen". Ganz kleine Insekten – die man auch Luftplankton nennt – können noch in 8.000 Metern gefunden werden und z.T. überleben. Aber sie fliegen dort nicht gezielt hin, sondern werden von entsprechenden Winden erfasst. Anders ist es bei wandernden Insekten; Wanderheuschrecken zum Beispiel. Die nutzen diese Winde gezielt aus und lassen sich dadurch schon mehrere hundert Meter hochziehen.

    Hummeln am Mount Everest

    Zu den wenigen Insekten, zu denen es wirklich systematische Untersuchungen bezüglich der Flughöhe gibt, gehören Hummeln. Man hat in China Hummelnester noch in 4.400 Metern gefunden. Und man hat Hummeln am Mount Everest in 5.600 Metern Höhe fliegen sehen. Es gibt Laborversuche, wo man die Bedingungen in großen Höhen simuliert hat – also eine künstliche Atmosphäre hergestellt hat mit entsprechend wenig Sauerstoff und niedrigem Luftdruck. Da haben die Hummeln noch Bedingungen ausgehalten, die denen von 9.000 Metern Höhe entsprechen – und sie haben das nicht nur überlebt, sondern konnten in dieser künstlichen Atmosphäre auch aktiv fliegen.
    12 May 2024, 6:00 pm
  • 1 minute 36 seconds
    Ist der Muttertag eine Erfindung der Nazis?

    Ehrung für im US-Bürgerkrieg engagierte Mutter

    Nein. Den Muttertag, den wir heute kennen, hat 1907 eine engagierte Christin in den USA eingeführt: Anna Marie Jarvis. Eigentlich war es ein Gedenktag für ihre eigene verstorbene Mutter. Die war über die Region hinaus bekannt, denn sie hat im Bürgerkrieg Wohltätigkeitsveranstaltungen organisiert und sich mit anderen Müttern um die Verwundeten des Kriegs gekümmert. 1907 hat Anna Jarvis für ihre Mutter also eine entsprechende Gedenkveranstaltung in ihrer Heimat in West Virginia organisiert. Im Jahr drauf wurde darauf eine Veranstaltung für alle Mütter. Und 1909 wurde dieser Muttertag bereits landesweit gefeiert.

    In Deutschland zeigen Blumenhändler Interesse an dem Feiertag

    Es war somit zuerst ein methodistischer Feiertag, der dann aber auch vom US-Kongress übernommen wurde. Das schwappte dann auch nach Europa. In Deutschland war es tatsächlich der Blumenhandel, der Werbung für den Muttertag machte. so wie später dann auch für den Valentinstag.

    Nazis erklären Muttertag zum offiziellen Feiertag und führen Mutterkreuz ein

    Was die Nazis betrifft: Sie haben den Muttertag zwar nicht eingeführt, aber sie haben ihn zum offiziellen Feiertag erklärt und das Mutterkreuz eingeführt. Aber das ist Geschichte, als Feiertag wurde er nach dem Krieg wieder abgeschafft. Der Muttertag fällt zwar immer auf einen Sonntag, ist bei uns aber kein gesetzlicher Feiertag. Insofern ist der Muttertag, den wir heute haben, auch kein Relikt der Nazis, sondern es gab ihn schon lange vorher. Die Nazis haben aber auch Christi Himmelfahrt zum Feiertag gemacht – und das ist ja geblieben. Das ist ja der Tag, der in Deutschland auch als Vatertag gilt, auch wenn das in keinem Gesetz so drinsteht.
    11 May 2024, 10:00 am
  • 3 minutes 16 seconds
    Wie misst man die Höhe von Bergen?

    Satelliten und GPS kommen bei der Vermessung zum Einsatz

    Heute kann man das mit Satelliten und GPS ziemlich genau messen, aber diese Höhenmessungen per Satellit gibt es erst seit den 1990er-Jahren.

    Gute Ergebnisse früher durch Luftdruckmessung und Winkelberechnung

    Schon früher waren aber die Höhen der Berge bereits recht genau auf den Karten verzeichnet. Dabei kamen drei Methoden vor allem zum Einsatz:
    • Die erste ist die Luftdruckmessung. Es ist bekannt, dass der Luftdruck mit der Höhe abnimmt. Wenn man den Luftdruck sehr genau misst, kann man damit oft auf ein bis zwei Meter genau die Höhe bestimmen.
    • Die zweite Methode ist die Landvermessung. Die ist richtig aufwendig und wird nur alle paar Jahrzehnte gemacht. Dabei nimmt man einen Ausgangsnullpunkt an der Meeresküste. Von dort wird ein engmaschiges Netz von Nivellementpunkten gelegt. Die Nivelliergeräte, die man dazu braucht, hat jeder schon mal gesehen; die werden auch bei Straßenbauarbeiten verwendet. Das sind diese Zielfernrohre, die auf einem Stativ montiert sind. Diese Fernrohre sind immer horizontal gerichtet. Ein Arbeiter stellt sich an eine Stelle und richtet das Fernrohr zu seinem Kollegen, der 50 Meter weiter steht und eine Messlatte neben sich hat. So können die beiden den Höhenunterschied zwischen diesen beiden Punkten feststellen. Auf diese Weise kann man sich in mühsamer Kleinarbeit ein Messnetz legen – von der Küste bis ins Landesinnere.
    • Bei steilen Bergen kommt eine weitere Technik zum Einsatz: Man kann Höhen durch Winkelberechnungen bestimmen. Dabei peilt man die Spitze an, liest den Winkel ab und kann dann mit Sinus, Cosinus und so weiter die Höhe des angepeilten Berges ausrechnen.
    Heute aber läuft sehr viel über Satellit; das macht es wesentlich einfacher.

    Schweizer und Franzosen definieren die Meereshöhe anders als die Deutschen

    Unser NN – unser Normalnull – in Deutschland ist traditionell der Meeresspiegel in Amsterdam, genauer: das mittlere Hochwasser. Die Schweizer und Franzosen orientieren sich aber am Meeresspiegel in Marseille. Der Unterschied beträgt dabei nur 27 cm. Das kann aber zu Pannen führen wie vor einigen Jahren am Hochrhein in Laufenburg, wo vom Schweizer Rheinufer aufs badische Rheinufer eine Brücke gebaut wurde. Die Ingenieure haben diesen Unterschied von 27 cm beim Bau der Brücke zwar berücksichtigt; dummerweise haben sie dabei aber die Vorzeichen vertauscht. So hatten sie plötzlich einen halben Meter Unterschied zwischen der Brückenführung auf der badischen und der Schweizer Seite. Das wäre ein bisschen blöd gewesen, deshalb mussten sie auf beiden Seiten nachträglich Korrekturen anbringen.
    11 May 2024, 8:00 am
  • 2 minutes 31 seconds
    Wie entstehen Fruchtfliegen?

    Fruchtfliegen gedeihen auf reifem Obst

    Fruchtfliegen, auch Obstfliegen genannt, gedeihen vorzugsweise auf reifem oder sogar fauligem Obst. Dort legen sie ihre Eier ab – das unterscheidet sie von normalen Stubenfliegen, die hauptsächlich draußen nisten, entweder auf den Überresten toter Tiere, also Aas, oder auf den Ausscheidungen lebendiger Tiere: Hundehaufen, Pferdeäpfeln oder ähnlichem. Die Fruchtfliegen dagegen lieben das Obst und deponieren dort oft mehrere Hundert Eier. Diese Eier bringen wir zwangsläufig mit ins Haus, wenn wir Obst kaufen oder pflücken.

    Larve geschlüpft – und in 10 Tagen ist die neue Fliege fertig

    Die Entwicklung ist eine Frage der Temperatur. Je wärmer es ist, desto schneller entwickeln sich aus den Larven die fertigen Fliegen. Bei 25 Grad schlüpft nach einem Tag eine Larve. Sie wächst, häutet sich und macht dann verschiedene Stadien durch. Innerhalb von 10 Tagen entwickelt sie sich zur fertigen Fliege weiter. Fruchtfliegen gibt es deshalb auch das ganze Jahr über. Allerdings führen verschiedene Faktoren dazu, dass sie gerade im Herbst vermehrt auftreten: Erstens gibt es dann viel frisches und vor allem reifes bis überreifes Obst. Und darüber hinaus sind im Herbst die Temperaturen oft mild, manchmal sogar noch richtig warm. Das bewirkt, dass sich der gesamte Lebenszyklus der Fruchtfliegen beschleunigt. Die Kombination aus beidem bedeutet im Ergebnis: viele, viele Fruchtfliegen im Herbst.

    Fliegen vermeiden: Obst nicht offen herumstehen lassen – oder Essigfalle aufstellen

    Um Fruchtfliegen zu vermeiden, sollte man kein Obst, keine Obstreste und Kompostabfälle offen herumstehen lassen. Ebenso wenig Teller und Besteck, an denen Obstsaftreste kleben – denn auch die ziehen Fliegen an. Ansonsten wird immer wieder ein Hausrezept genannt: Ein Glas oder eine Schale mit verdünntem Essig aufstellen – der lockt die Fliegen an. In den Essig gibt man einen Tropfen Spülmittel, sodass die Oberflächenspannung reduziert wird und die Fliegen nicht mehr herauskommen.
    10 May 2024, 1:45 pm
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