Der Präsident der
Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) Thomas Krüger rechnet damit, dass sich wieder mehr Menschen an den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg beteiligen als in der Vergangenheit. Nach einem Rückgang der Wahlbeteiligung über längere Zeit, sei dieser Trend bereits bei den letzten überregionalen Wahlen (Europawahlen am 9.6.2024) spürbar gewesen, sagt Krüger im ARD Interview der Woche. Man merke, dass in den betreffenden Bundesländern das Interesse an den Abstimmungen "relativ ausgeprägt" ist. Als Grund nennt Krüger "größere Kontroversen im politischen Raum". Sie führten dazu, dass die Beteiligung an den Wahlen vermutlich wachsen wird. Bei den letzten Landtagswahlen im Jahr 2019 gingen in Sachsen 66,5 Prozent und in Thüringen 64,9 Prozent der Berechtigten wählen. In Brandenburg lag die Wahlbeteiligung mit 61,33 Prozent etwas niedriger.
Großes Interesse am Wahl-O-Mat
Das große Interesse an den
Landtagswahlen zeigt sich auch in der starken Nutzung des Wahl-O-Mat. Mit dem Online-Tool der Bundeszentrale lassen sich die Positionen der Parteien zu 38 Thesen mit der eigenen Überzeugung vergleichen. Krüger sagt, schon zur Europawahl im Juni hat die bpb mit 14 Millionen Nutzerinnen und Nutzern einen absoluten Rekord verbucht. Der gleiche Trend sei nun bei den drei Landtagswahlen im Osten zu beobachten. In
Sachsen wurden 500-tausend Zugriffe registriert. In
Thüringen wurde die Webseite rund 300-tausend Mal aufgerufen. Beim
Wahl-O-Mat für Brandenburg, wo erst am 22.09. gewählt wird, wurden bereits am ersten Tag 80-tausend Zugriffe verzeichnet. Der Präsident der bpb ist davon überzeugt: "Wenn man das hochrechnet, auf die gesamte Laufzeit, werden wir in allen drei Bundesländern einen Nutzungsrekord erzielen."
Populismus und Verunsicherung
Krüger, der seit dem Jahr 2000 die Bundesbehörde bpb leitet, geht davon aus, dass die Wahlentscheidungen der Menschen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg stark von populistischen Argumenten beeinflusst werden. Im ARD Interview der Woche erklärt Krüger, dass viele Menschen verunsichert sind: "Der Klimawandel, die internationale Politik, aber auch der ökonomische Wandel, die Verflechtung, die im globalen Kontext passieren, all das sind Herausforderungen, mit denen die Menschen tagtäglich zu tun haben. Und sie fühlen sich oftmals überfordert." Der Politik falle es oft schwer, klare und nachvollziehbare Antworten zu finden. Krüger betont, dass diese Situation populistischen Parteien in die Hände spiele, die einfache Lösungen für komplexe Probleme versprechen. Er, der selbst als Sozialdemokrat sowohl im Berliner Senat als auch im Bundestag tätig war, ist jedoch überzeugt, dass es solche einfachen Lösungen nicht gibt.
Politische Medienbildung als Schlüssel
Schon seit längerem ist die bpb auch auf sozialen Plattformen präsent, mit Web-Videos, Podcasts und anderen digitalen Formaten, um Menschen zu erreichen, die durch klassische Formate wie Seminare und Konferenzen nicht angesprochen werden. Ziel der Social-Media-Aktivitäten ist es nicht nur, politische Bildung im klassischen Sinne zu fördern, sondern insbesondere jungen Menschen mehr Kompetenz in der Mediennutzung zu vermitteln. Krüger nennt als Beispiel dafür die Partnerschaft mit dem Influencer Rezo, der gerade bei jungen Menschen als besonders glaubwürdig gilt. Rezo erklärt im Quiz-Format ‚Fake Train‘ Unterschiede zwischen verlässlichen Informationen, Werbung, Meinungsbeiträgen und Desinformation. Diese Kombination aus politischer Bildung und dem Vermitteln von Medienkompetenz bezeichnet der bpb-Präsident als "politische Medienbildung".
Frühe Medienbildung statt Verbote
Ein eigenes Schulfach für Medienbildung sieht Krüger nicht als sinnvoll an, da die Nutzung von Medien ein Querschnittsthema in allen Bereichen der schulischen Ausbildung sein sollte. Er plädiert dafür, bereits im Kindergarten mit Medienbildung zu beginnen, da viele Kinder bereits Medien nutzten. Die jüngst erhobene Forderung von Burkhardt Blienert, dem Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, TikTok für Kinder unter zwölf Jahren zu verbieten, lehnt Krüger ab. Er hält diesen Vorschlag für nicht alltagstauglich und betont, dass es wichtiger sei, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen als mit den Plattformen selbst. Hier gebe es jede Menge Herausforderungen.