Harmonische Werbewelt von Salamander
Im Stadtmuseum von Kornwestheim findet man eine seltsam heile Welt vor. Von den Wänden lächeln propere Kinder, glückliche Paare, elegante Damen und Herren.
Es handelt sich um Zeichnungen und Werbegrafiken von drei herausragenden Künstlern, die in den 40er bis 60er-Jahren für große Marken gearbeitet haben, vor allem für den Kornwestheimer Schuh-Platzhirsch Salamander.
Die zuckersüße Harmonie dieser Werbewelt ist so etwas wie die spiegelverkehrte Gegenseite der Nachkriegs-Realität. Der Illustrator Franz Weiss hat die Sehnsüchte dieser Notjahre geradezu surreal bebildert.
„Es gibt den Schuhbaum, da wachsen Schuhe auf den Bäumen und entstehen aus Samen von der Wiese“, erklärt Kunsthistorikerin Ruth Kappel. Es geht um den Traum der Menschen, wieder Schuhe en masse zu haben, und nicht nur das eine Paar, das man gerade an den Füßen trägt, das fast auseinanderfällt.
Als gebürtige Kornwestheimerin kennt sie die große Schuhmarke aus der Nachbarschaft von Kindesbeinen an. Kappel erinnert sich auch noch an eine Besonderheit, für die Salamander sein Sortiment besonders gerüstet hatte.
Drei Schuhe für Kriegsversehrte
Ruth Kappels Vater war einer der vielen Veteranen, die im Krieg ein Bein verloren hatten.
„Für Kriegsversehrte gab es die Möglichkeit, bei Salamander drei Schuhe zu kaufen. Prothesenträger haben immer einen Schuh mehr beschädigt als den anderen. So hatte man die Möglichkeit, bei Salamander zwei gleiche Schuhe und einen Dritten zu kaufen“, erläutert Ruth Kappel.
Versteckte Kritik am Nazi-Regime
Auch die Stuttgarter Grafikerin Lilo Rasch-Nägele war Zeitzeugin der Kriegsepoche, allerdings ganz anders als ihr Berufs-Kollege Franz Weiss, ein NSDAP-Mitglied und völkischer Maler.
Rasch-Nägele machte sich heimlich lustig über das Regime. Sie gehörte – als einzige Frau – zum Freundeskreis um Willi Baumeister, den die Nazis als verdächtig und entartet drangsalierten.
„Sie selber war eine sehr emanzipierte Frau, die rauchte, Hosen trug und kurze Haare hatte. Auf der anderen Seite hat sie ganz ätherische Wesen entworfen, auf dem Papier und hat sich in einer ganz anderen Welt bewegt“, schildert die Kunsthistorikerin Maria Christina Zopff.
Die Zeichnungen von Lilo Rasch-Nägele sind souverän gestaltete Porträts und Körperdarstellungen, manchmal mit einem einzigen Pinselstrich aufs Papier gebracht.
Auch in der jungen Bundesrepublik kreierte sie Rollen-Bilder der hübschen, femininen Frau, die dem aus dem Krieg heimgekehrten Mann, ein wohnliches und modernes Heim herrichtet. Die Kunsthistorikerin Zopff nennt das „Neo-Rokoko“.
„Das war ein Rückgriff auf eine Zeit, wo man versucht hat, wieder an die alte Ordnung anzuknüpfen, nach diesem verheerenden Zweiten Weltkrieg, nach diesem Frauenbild der Nationalsozialisten hin wieder zu einer Art Neo-Rokoko“, beschreibt Zopff.
Mit so etwas musste sich der dritte Zeichner dieser Ausstellung nicht herumschlagen: der Schweizer Otto Glaser. Ein begnadeter Autodidakt, der ohne Vorskizze oder Modell zeichnete – ausschließlich nachts.
Zeichnungen entstanden in besonderer Umgebung
Denn tagsüber, erinnert sich sein Sohn Urs, war das Familienleben ein Taubenschlag, buchstäblich: „Wir hatten viele Tiere. Zwei Tukane, Eulen in der Voliere, einen Wollaffen, einen Esel und einen Taubenschlag.
Unglaublich, dass solche anspruchsvollen Bilder in dieser Umgebung entstanden sind.“ Die Glasers lebten in einem Tessiner Bergdorf, wo die Häuser weder Heizung noch fließendes Wasser hatten.
Ein Flair von weiter, großer Welt
Dort zeichnete Otto Glaser Bilder moderner Zeitgenossen: junge, dynamische, elegante Damen und Herren mit einem Flair von weiter Welt. Umso verrückter, dass er seine sensationell locker getuschten Zeichnungen als wertlos empfand.
„Meine Mutter hat die immer mit einer Schnur um das Packpapier verpackt. Da stand drauf: Wertlose Drucksache. Mein Vater hatte auch seine Originale und seine Zeichnungen und Werbezeichnungen immer als wertlos betrachtet,“ erzählt Urs Glaser.
Erhalten geblieben sind diese wunderbaren Blätter nur, weil jemand in der Stuttgarter Druckerei sie nicht ins Altpapier steckte, sondern aufbewahrte.
Ruhm war egal, dem Urheber genügte das Honorar
Otto Glaser war es herzlich wurscht. Ihm genügte das Honorar – denn damit konnte er auf einem ganz anderen Gebiet schöpferisch tätig bleiben: dem Ausbau von Häusern für Eltern, Kind und Kegel.
Er hat immer gesagt: wenn ich ein Salamander-Plakat gemacht habe, dann kann ich zehn Säcke Zement kaufen.
Quelle: Urs Glaser